Altstadt-Shuttle auf historischen Spuren: Autonomes Fahren auf alter Straßenbahnroute durch die Mühlhäuser Innenstadt

In Mühlhausen nimmt ein zukunftsweisendes Mobilitätsprojekt konkrete Formen an: Im Rahmen des Smart City-Projekts wird derzeit intensiv an einer neuen Mobilitätsform in der mittelalterlichen Innenstadt gearbeitet. Ein hochmodernes und autonomes Shuttle-Fahrzeug wird künftig Fahrgäste auf einer festgelegten Strecke zwischen Bahnhof, Steinweg und Blobach befördern – und damit Teile der historischen Verkehrsverbindung wieder zum Leben erwecken.
Die Idee eines innerstädtischen Nahverkehrs in Mühlhausen ist keineswegs neu: Bis Ende der 1960er Jahre verkehrte eine Straßenbahn durch die Stadt. Sie verband den Bahnhof mit dem Stadtwald. Schon damals führte eine Strecke über den Steinweg, der heute eine belebte Fußgängerzone mit vielen Einkaufsmöglichkeiten ist. Auch wenn die gesamte Infrastruktur – Schienen, Oberleitungen, Haltestellen – in den Jahrzehnten nach der Stilllegung vollständig zurückgebaut wurde, erinnern sich viele Mühlhäuserinnen und Mühlhäuser noch heute lebhaft an die Fahrten mit der Straßenbahn. Das Smart City-Projekt „Altstadt-Shuttle“ knüpft also nicht nur technisch, sondern auch emotional an ein vergangenes Kapitel der Stadtgeschichte an.
Die Grundlagen für das Projekt wurden im vergangenen Jahr mit einer Machbarkeitsstudie der Firma TRAPICO gelegt. Das auf innovative Mobilitätslösungen für Schiene und Straße spezialisierte Unternehmen aus dem Schwarzwald erwies sich als erfahrener Partner. Die Studienergebnisse wurden Ende 2024 Vertreterinnen und Vertretern der Stadtverwaltung, des Stadtrats, der Regionalbus-Gesellschaft, des Landratsamtes sowie der Senioren- und Behindertenvertretung vorgestellt. Trotz Herausforderungen, darunter die engen und teils verwinkelten Straßen, zahlreiche Einbahnstraßenführungen, historisches Kopfsteinpflaster sowie die gut frequentierte Innenstadt, zeigt die Studie deutlich: Mühlhausen bietet gute Voraussetzungen für die Umsetzung eines autonomen Linienverkehrs in der historischen Innenstadt.
Das Vorhaben wird vom Unstrut-Hainich-Kreis sowie der Regionalbusgesellschaft aktiv unterstützt. In einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen Oberbürgermeister Dr. Johannes Bruns und Regionalbus-Geschäftsführer Nils Oppermann wurde die enge Zusammenarbeit kürzlich bekräftigt. Ziel ist es, neueste Technologien, sensorbasierte Fahrzeuge sowie die Akzeptanz dieser neuen Mobilitätsform im realen Stadtverkehr zu erproben – ein wichtiger Schritt hin zu nachhaltiger und zukunftsfähiger Mobilität.
Dabei stehen neben Nachhaltigkeit und Effizienz auch Barrierefreiheit und Inklusion im Fokus.
Die Fahrzeuge werden so konzipiert, dass sie auch Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sowie Seniorinnen und Senioren einen komfortablen und selbstbestimmten Zugang zum ÖPNVSteht als Abkürzung für den öffentlichen Personennahverkehr. Ist der öffentliche Verkehr, der im Rahmen der Grundversorgung angeboten wird. In Mühlhausen fallen darunter der Busbetrieb und der Schienenpersonenverkehr. ermöglichen. Leicht bedienbare Einstiegshilfen, ausreichend Platz im Innenraum sowie visuelle und akustische Fahrgastinformationen gehören zum Standard. Die enge Einbindung der örtlichen Behinderten- und Seniorenvertretung in die Planungsprozesse stellt sicher, dass die Bedürfnisse aller Fahrgäste von Anfang an berücksichtigt werden.
Derzeit steht die Vorbereitung und Durchführung eines umfassenden Ausschreibungsverfahrens im Fokus, um geeignete Fahrzeuglösungen und Technologiepartner zu finden. Die Regionalbus-Gesellschaft bringt dabei ihre Erfahrung in der Fahrzeugbeschaffung ein. Der Markt für autonome Fahrzeuge befindet sich in starkem Wandel – neue Hersteller, Systeme und Kooperationen prägen den jungen Wachstumsmarkt. Daher ist eine sorgfältige Auswahl geeigneter Partner entscheidend für den Erfolg des Projekts.
Die Stadtverwaltung arbeitet parallel an der Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur. Dazu zählen unter anderem Anpassungen der Verkehrsführung, insbesondere im Bereich der Karl-Marx-Straße und des Kiliansgrabens, sowie eine veränderte Parkordnung entlang der geplanten Route. Auch Shuttle-Haltestellen und eine Abstell- und Ladestation für das teilautonome Shuttle sind in Planung.
Die erste Fahrt wird das Altstadt-Shuttle voraussichtlich 2026 antreten. Anschließend wird es im regelmäßigen Linienbetrieb mit Fahrplan mehrmals täglich auf der vorgesehenen Strecke unterwegs sein. Um eine attraktive und nutzerfreundliche Taktung zu gewährleisten, kommen zwei Fahrzeuge parallel zum Einsatz. Ziel ist es, die autonome Linie mit entsprechender Konzession dauerhaft in das ÖPNV-Angebot der Regionalbus-Gesellschaft zu integrieren. Die Verkehrsbehörde des Landratsamtes begleitet das Projektteam dabei eng im Rahmen des Zulassungsverfahrens und unterstützt bei allen erforderlichen Genehmigungsprozessen.
Zum Einsatz kommen zunächst kompakte Fahrzeuge mit Automatisierungsgrad Level 3. Das bedeutet: Das Shuttle kann die Strecke selbstständig fahren, allerdings ist Sicherheitspersonal an Bord, der sogenannte Operator, der bei Bedarf eingreift und das Fahrzeug führt. Perspektivisch ist der Übergang zu Level 4 vorgesehen – also vollständig autonom, ohne menschlichen Operator –, sobald dies in Deutschland rechtlich zugelassen ist.
Wichtige Erkenntnisse für die Umsetzung in Mühlhausen konnten kürzlich bei einem Besuch des CAMIL-Projektteams in Ilmenau gewonnen werden. Hier kamen autonome Fahrzeuge einer früheren Generation zum Einsatz. Bei einer Testfahrt wurden technische Herausforderungen und praxisnahe Lösungsansätze erlebbar. In Mühlhausen soll neuere und verbesserte Technik eingesetzt werden. Fortschritt und Entwicklung in dem Bereich erfolgt in rasantem Tempo.
„Mit diesem Projekt betreten wir technologisches Neuland in der Region“, erklärt Oberbürgermeister Dr. Johannes Bruns. „Wir wollen nicht nur die Technik selbst erproben, sondern auch herausfinden, wie sie sich im täglichen Betrieb innerhalb einer historischen Innenstadt bewährt. Unser Ziel ist es, langfristig intelligente, nachhaltige und sichere Mobilitätslösungen für unsere Bürgerinnen und Bürger zu schaffen.“
Das Altstadt-Shuttle leistet zudem einen wichtigen Beitrag zur Belebung und Stärkung der Innenstadt. Durch die regelmäßige Verbindung zwischen Bahnhof und zentralen Bereichen wie dem Steinweg oder Blobach wird der Zugang zur Altstadt deutlich erleichtert – für Einheimische wie für Besucherinnen und Besucher. So profitieren insbesondere Einzelhandel, Gastronomie und kulturelle Einrichtungen von einer verbesserten Erreichbarkeit ohne zusätzlichen motorisierten Individualverkehr. Das Shuttle ergänzt bestehende Mobilitätsangebote sinnvoll und fördert zugleich einen autofreien, klimafreundlichen Innenstadtbereich.
Foto: © Stadt Mühlhausen (abgebildet v. l.: Oberbürgermeister Dr. Johannes Bruns und Geschäftsführer der Regionalbus-Gesellschaft Nils Oppermann)